Kälber – Auf die Reifung kommt es an

Viele Dinge müssen einen Reifeprozess durchlaufen, um wirklich gut zu werden. Das kennen wir vor allem von Genusslebensmitteln, wie gutem Käse, Fleisch, Whisky und Wein. Aber auch Obst braucht einige Zeit, um genießbar zu werden. Diese Produkte haben alle ihren Ursprung in der Landwirtschaft. Und nun können wir sogar noch einen Schritt weitergehen, denn auf den Betrieben gibt es einen weiteren Reifungsprozess, der einen ordentlichen Unterschied machen kann – und der findet beim lebenden Tier im Stall statt, nämlich bei den Kälbern.

Kälberreife?

Das Wort ist vielleicht eine Neuerfindung, aber es gibt sie wirklich und sie ist auch noch besonders wichtig. Das Ganze lässt sich sogar biologisch begründen, wird damit einleuchtend und sogar einfach verständlich. Denn junge Lebewesen – egal ob Mensch, Tier oder Pflanze – brauchen Zeit zum Heranwachsen. Je nach Spezies dauert das bei einigen kürzer und bei anderen länger. Das ist von der Natur vorgegeben und hat einen Sinn – aber genau das wird in der Kälberaufzucht in vielerlei Hinsicht wenig beachtet.

Transformation

Vor allem ein Wiederkäuer macht in den ersten Lebenswochen eine große Veränderung durch. Nach der Geburt ist die Verdauung erstmal genauso, wie bei einem Monogastrier (z. B.
Schwein und Mensch). Zu diesem Zeitpunkt haben Kälber auch „nur“ einen Magen, da der Pansen noch nicht entwickelt ist. Genau das passiert nämlich in den ersten 14 – 16 Lebenswochen (die mikrobielle Besiedelung inklusive), zusätzlich zum „normalen“ Wachstum. Das bedeutet quasi eine doppelte Belastung für das Kalb, denn auch alle anderen Organe müssen sich weiterentwickeln. Nur so kann das spätere System „Kuh“ und damit auch die Milchproduktion überhaupt funktionieren – und das auch noch möglichst stabil, mit
einer hohen Leistung und langlebig.

Wachstum ≠ Gesundheit

Solange der Pansen noch nicht voll arbeitet, sollte das Kalb also noch mit Milch versorgt werden – eigentlich logisch, oder? Ohne Pansen keine Faserverdauung. Es verhungert zwar nicht und wachsen tut es auch noch – aber wenn die Nahrung nicht ordentlich verdaut werden kann, dann werden auch Nährstoffe nicht ausreichend aufgenommen. Vor allem die Ausbildung der inneren Organe können wir von außen nicht beurteilen. Gibt es hier Defizite, dann merken wir das erst viel zu spät an einer gestörten Fruchtbarkeit, krankheitsanfälligen Kühen und/oder an der geringen Milchleistung. Viel zu oft endet das mit einem zu frühen Abgang der Kuh – der in vielen Fällen hätte verhindert werden können.

Nichts Neues

Das Beschriebene ist nicht neu, alles wurden schon im Jahr 1969 (Hubert et al.) wissenschaftlich beschrieben. Dort steht: die Milchtränke ist in der Zeit bis zur vollendeten Pansenentwicklung sinnvoll – also rund 16 Wochen. Und das wiederum heißt im Umkehrschluss nicht, dass die Kälber dadurch weniger Kraftfutter aufnehmen. Genau das Gegenteil ist der Fall, wie ein Versuch von Schwarzkopf et al aus 2019 zeigt.

Das Ergebnis: Trotz einer konstanten Milchmenge von 9 Litern pro Tag in den ersten 98 Tagen hat die Kraftfutteraufnahme stetig zugenommen. Bei den Kälbern, die ab dem 28. Tag abgetränkt wurden, stieg die Kraftfutteraufnahme deutlich steiler an – denn diese Kälber hatten natürlich Hunger. Außerdem waren sie insgesamt unruhiger und sahen im Vergleich zu den länger getränkten Kälbern nicht so gut aus. Das wiederum ist auf die noch nicht darauf ausgelegte Verdauung und die dadurch fehlenden Nährstoffe zurückzuführen. Insbesondere die verfügbare Proteinqualität, denn die ist bei Milch viel höher als bei pflanzlichem Futter.

Auswirkungen

Im Laufe dieses Versuches wurden diverse Parameter protokolliert. So war der pH-Wert des Urins bei den früh abgesetzten Kälbern deutlich geringer. Dies deutet auf eine Übersäuerung des noch nicht voll entwickelten Pansens hin: Durch den plötzlichen Anstieg beim Kraftfutter in Verbindung mit der noch geringen Wiederkauaktivität – Heu wird noch nicht in benötigten Mengen gefressen und auch die Speicheldrüsen sind noch nicht voll entwickelt – fehlt der Speichel zum Abpuffern.

Ein weiterer Indikator ist der Insulingehalt im Blut. Beim Abtränken fällt dieser Wert natürlicherweise stark ab, denn die Laktose, also der Milchzucker aus der Milchtränke, fällt weg. Insulin ist ein wichtiges Hormon für das Wachstum und Stoffwechselvorgänge. Bei den früh abgesetzten Kälbern wird also das ganze empfindliche System zu einem Zeitpunkt massiv gestört, indem genau diese Vorgänge noch die Hauptaufgabe des Körpers sind. Die Folgen bei den früh abgetränkten Kälbern: Im Vergleich zu den Kälbern, die länger Milch zu Verfügung hatten, fand sich ein ungleichmäßigeres Wachstum, geringere Zunahmen und im Schnitt ein kleinerer Brustumfang – und das bedeutet im Endeffekt weniger Platz für die inneren Organe.

Gut Ding will Weile haben

Natürlich hätte man den Versuch auch länger laufen lassen können. Die Ergebnisse zeigen dennoch eindrücklich, dass wir mit guter Aufzucht viel bewirken können. Das Ziel sind langlebige und gesunde Kühe, die eine hohe Milchleistung erzielen. Das klappt allerdings nur, wenn schon die Versorgung der Kleinen stimmt. Biologisch gesehen wieder ein einfaches Prinzip: Kühe bekommen meist nur ein Kalb zur Zeit, um dass sie sich besonders gut kümmern, damit es überlebt und damit wiederum den Fortbestand der Art sichert. Nun trennen wir aber Kalb und Mutter früh und das bedeutet: wir müssen diese Aufgabe möglichst gewissenhaft ausführen. Passieren hier Fehler, hat es große Auswirkung auf das ganze Leben der späteren Kuh.

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Laura Meyer-Kuhlmann

Laura hat ein Abschluss als B Sc. Agrarwissenschaften von der Uni Göttingen und ist seit über 2 Jahren Teil der jbs Familie. Momentan betreut sie den Bereich Qualitätsmanagement und ist spezialisiert auf die Kälberaufzucht und unser Pflanzenstärkungsmittel rootac.

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