Die Kälberaufzucht verlangt immer größte Sorgfalt. Die eigene Nachzucht soll schließlich später selber zu gesunden Mitarbeiterinnen heranwachsen, die möglichst lange im Betrieb bleiben. Färsenkälber haben allerdings von Anfang an schon einen Nachteil, den es später möglichst gut auszugleichen gilt. Im Schnitt sind die meisten Rinderrassen erst mit 5 Jahren voll ausgewachsen. Das Haupt-Wachstum passiert jedoch in den ersten 2 bis 3 Jahren – und genau hier hinein fällt auch der Zeitpunkt, an dem die Färse das erste Mal besamt wird und damit ihr Leben als Milchkuh antritt.
Konkurrenz belebt das Geschäft
– Allerdings nicht in diesem Fall. Sobald das junge Tier tragend ist, kommt es zu erbitterten Konkurrenzkämpfen um die aufgenommenen Nährstoffe. Der Fötus braucht davon eine ganze Menge zum Wachsen, die Färse allerdings auch. Das Problem: Sie kann nur so viel fressen, wie sie auch verwerten kann und da sie noch nicht voll entwickelt ist, sind das noch nicht die Mengen, die sie eigentlich für ihr eigenes Wachstum und das des Fötus benötigt. Das Ergebnis: Beide bekommen am Ende zu wenig ab.
Metabolische Programmierung
Das Ganze prägt schon den Fötus negativ – und damit auch die spätere Kuh. Denn schon während der Entwicklung des Fötus werden vor allem die Grundsteine für den späteren Stoffwechsel gelegt. Ist die Versorgung hier unzureichend, hat das Kalb auch später als ausgewachsene Kuh ein erhöhtes Risiko, unter Stoffwechselstörungen zu leiden und die Leistungsfähigkeit fällt generell geringer aus. Ein Indikator für genau diesen Umstand lässt sich optisch sogar schon bei dem frisch geborenen Kalb erkennen: Hat es eine geringere Rückenlänge, als die anderen Kälber, dann hat es sehr wahrscheinlich genau diese Konkurrenzsituation mitgemacht und das Nachsehen gehabt. Die Chance, dass es später Stoffwechselprobleme bekommt, ist damit deutlich erhöht.
Leptin
– Ein Hormon aus dem Fettgewebe. Es regelt den Energiehaushalt und damit viele wichtige Funktionen. Färsenkälber haben auch hier schlechtere Karten, denn sie haben weniger Leptin im Blut als Kälber von älteren Kühen. Neben dem Wachstum (und damit der eben erwähnten Rückenlänge) hat es Einfluss auf die Futteraufnahme, das Immunsystem, den Blutdruck, die Insulinbildung, die Knochenmasse und einiges mehr. Es hat ebenfalls Einfluss auf die spätere Fruchtbarkeit – und damit auch darauf, wie alt die Kuh wird. Denn die meisten jungen Kühe verlassen die Herde aufgrund von Fruchtbarkeitsproblemen. Erkennen Sie den Zusammenhang?
Milch macht müde Kälber munter
Der Leptingehalt im Blut kann nicht durch die Gabe eines synthetisch hergestellten Hormons erreicht werden. Aber er kann mit einer intensiven und langen Milchfütterung – hochwertiger Milchaustauscher oder Vollmilch – angeglichen werden. Optimal wäre das bis zur Vollentwicklung des Pansens, aber 16 Wochen sind kaum praktikabel. Dennoch sollten Färsenkälber länger getränkt werden, als die anderen. Natürlich bei gleichzeitigem Angebot von Wasser und Heu ad libitum, sowie Kraftfutter. Dadurch wird die Gefahr von Stoffwechselproblemen im späteren Leben verringert und auch die Chance für eine bessere Fruchtbarkeit steigt – und damit die Lebensdauer und der Verbleib in der Herde.
Nackte Zahlen
Und genau das sollte das Ziel sein. Wirtschaftlich stellt uns das System der jungen Abgangskühe nämlich vor ein Paradox: Kalbt eine Färse mit 28 Monaten, so hat sie bis dahin ca. 1.160 Tage gebraucht, um das erste Mal Geld zu verdienen. Verlässt sie die Herde bereits nach der 3. Laktation, so hat sie rund 1.190 Tage „gearbeitet“. Zugegeben, ein hinkender Vergleich – aber stellen Sie sich mal vor, ein solches Verhältnis würde zum Beispiel auch bei Ihrem Schlepper vorherrschen: „Herstellungstage“ = „Produktionstage“. Das wäre ein finanzielles Desaster. Schauen wir uns in der Buchhaltung einmal den Wert der einzelnen Kuh an und nicht der gesamten Herde, wird es noch einmal deutlicher: Erst ab dem 6. Lebensjahr bringt die Kuh einen Buchgewinn ein und nicht, wie bei der standardisierten Gruppenbewertung, ein altersunabhängiges generelles Minus.
Und nun?
Vielleicht haben Sie Aufzucht und Lebensleistung bereits gut im Blick. Oder dieser Gedankenanstoß schafft Ihnen einen Anreiz dazu. Denn nur, wenn Sie hier einen Überblick haben, können Sie auch die nötigen Stellschrauben hierzu finden. Diese sind, wie so oft, betriebsindividuell. Das Ziel sollte aber immer eine gesunde, langlebige Kuh mit einer hohen Leistung sein. Das ist nicht nur wirtschaftlicher, es macht auch mehr Spaß mit diesen Tieren zu arbeiten. Die Außenwirkung für die Verbraucher ist dabei ebenfalls nicht zu unterschätzen. Sich selber ehrlich zu hinterfragen, kann hier also schon eine ganze Menge ausmachen und die Rentabilität der Herde erhöhen.