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Größtes Immunsystem
Das größte Immunsystem bei Säugetieren ist der Darm. Genauer gesagt sein Mikrobiom, also die Gemeinschaft der Mikroorganismen, die in ihm leben. Wir kennen das Mikrobiom zum Beispiel auch als Darmflora. Bestehen tut es aus unterschiedlichsten Bakterien und Pilzen und entwickelt sich bei jedem Tier individuell. Diese Mikroorganismen sorgen für eine gute Verdauung und können sogar Schadkeime bis zu einem gewissen Grad abfangen und unschädlich machen. Wird diese Gemeinschaft jedoch gestört, dann kann es zu massiven Verdauungsproblemen kommen, die sogar lebensgefährlich werden können.
Eine Welt für sich
Das Wort „Mikrobiom“ kommt aus dem Griechischen und bedeutet so viel wie „kleines Leben“ – der Name ist tatsächlich Programm. Die Bakterien und Pilze bilden eine eigene Gemeinschaft, die sich situationsabhängig verändert. Sie wird von verschiedenen Einflüssen bestimmt. Neben der Genetik spielen Futter und Umgebung eine wichtige Rolle. Wird beispielsweise die Ration umgestaltet, so verändert sich auch das Mikrobiom und passt sich an. In Stresssituationen leidet der Verdauungstrakt zuerst – neben dem Magen wird auch das Darmmikrobiom in Mitleidenschaft gezogen. Die Folge: es bekommt Schwachstellen und Schadkeime gewinnen die Oberhand. Zum Beispiel kann Durchfall ausgelöst werden. Eine natürliche Reaktion, um die schädlichen Organismen schnell los zu werden. Das kostet den Körper allerdings viel Wasser und das wiederum kann vor allem für junge Kälber schnell
lebensgefährlich werden.
Besonderheiten Kälber
Da das junge Kalb noch einen anderen Verdauungstrakt hat, als eine ausgewachsene Kuh und es dazu einige Entwicklungen samt Futterumstellungen in den ersten Wochen durchmacht, wird auch das Mikrobiom vor ein paar Herausforderungen gestellt. Es muss nicht nur der Darm von den kleinen Helferlein besiedelt werden, sondern auch der sich in der Entwicklung befindende Pansen. Dabei gibt es direkt nach der Geburt quasi noch kein Mikrobiom. Dieses bildet sich erst mit der Zeit in drei Schritten aus:
- Erstbesiedelung (Tag 0 – 2)
Das Mikrobiom bildet sich aufgrund verschiedenen Umweltkeime, unter anderem aus Kolostrum, vom Muttertier und aus dem Stall – so ein junges Kalb saugt ja an vielem. - Übergangsstadium (Tag 3 – 15)
Hier spielen hauptsächlich die Tränkemahlzeiten eine Rolle - Reifungsphase
In dieser Phase nimmt auch die Festfutteraufnahme zu und das Mikrobiom muss sich dahingehend neu sortieren und festigen.
Das Pansenmikrobiom
Der Pansen entwickelt sich erst mit der Zeit und so auch sein Mikrobiom. Ist er ausgewachsen, so kann er als einziges Organ pflanzliche Rohfaser verwerten – die Einzigartigkeit der Wiederkäuer. Wie wir seine Entwicklung beeinflussen können, ist inzwischen kein Geheimnis mehr: Aufgeschlossene Stärke unterstützt das Wachstum der Pansenzotten, so dass sich eine große Oberfläche bildet. Mit Raufutter wird dagegen das Pansenvolumen gefördert. Was noch nicht vollständig erforscht ist, sind die Auswirkungen, die verschiedene Praktiken – wie etwa frühes oder spätes Abtränken – auf das Pansenmikrobiom haben.
Die Mutterkuh
Eine Sache ist allerdings bereits wissenschaftlich belegt. Und zwar der Unterschied der Bildung eines Mikrobioms bei verschiedenen Aufzuchtmethoden. Bleibt das Kalb bei der Mutter, so hat es quasi eine konstante Mikrobenquelle bei sich. Die Bakterienvielfalt des Mikrobioms ist dann höher, als bei Kälbern aus Einzeliglus. Auch bei Kälbern aus Gruppenhaltung ist die Vielfalt größer. Ein Marker sind hier die Protozoen, die bei allein gehaltenen Kälbern fast gänzlich fehlen. Protozoen sind aber besonders wichtig für den Abbau von Zellulose im Pansen.
Und nun?
Die Forschungen sind noch lange nicht abgeschlossen. Es bleibt erstmal abzuwarten, denn auch aus einem Kalb, das eine Zeit lang in einem Einzeliglu steht, kann eine leistungsstarke Kuh werden. Hinweise auf die Vorteile einer Haltung von mindestens zwei Kälbern gibt es aber auch immer mehr. Die Landwirtschaft hat sich alleine in den letzten 20 Jahren stark gewandelt. Je mehr wir verstehen, desto besser können wir danach handeln und Fortschritte erzielen.