Vitamine so viel wie das Alphabet hergibt

Böhmische Dörfer

In Norddeutschland bezeichnet man etwas als „Böhmische Dörfer“, wenn es einem unbekannt oder absolut unverständlich ist. Genau so steht sicher der ein oder andere vor einer Mineralfutterdeklaration, denn da steht manchmal ganz schön viel drauf. Die Mengen reichen von wenigen Mikrogramm über Milligramm hin zu internationalen Einheiten. Wer soll das noch verstehen?

Wer „A“ sagt, muss auch „B“ sagen

Eine ganz einfache Einteilung der Vitamine in essentiell und nicht-essentiell bringt schon etwas mehr Licht ins Dunkel. Essentiell bedeutet, dass diese Vitamine mit der Nahrung zugeführt werden müssen, weil der Körper sie nicht selbst herstellen kann. Die Vitamine A, D3 und E gehören zu den essentiellen Vitaminen und deshalb gibt es praktisch kein Mineralfutter, in dem diese drei Vitamine nicht vertreten sind. Natürlich enthalten sind die Vitamine A und E auch in frischem Gras oder Silage, aber die Gehalte schwanken sehr stark und die Vitamine werden im Silostock über kurz oder lang abgebaut.

Laut einer aktuellen Studie wird trotz einer regelmäßigen Zulage von Vitamin E in mehr als 50 % der untersuchten Kühe der Zielgehalt von 3,0 mg/l im Blut nicht erreicht (DSM 2021). Besonders betroffen sind trockenstehende und frischmelkende Kühe, die aufgrund der auftretenden Entzündungsprozesse einen besonders hohen Bedarf haben.

Kühe mögen Langeweile

Die Vitamine der B-Gruppe, zu der auch Niacin und Biotin gehören, können von einer gesunden Pansenflora in ausreichenden Mengen hergestellt werden. Wie wir es schaffen, den Pansen so richtig rund laufen zu lassen, haben wir in unserem Beitrag „Mischen Impossible“ thematisiert. Dort ging es um Mischgenauigkeit, Futterselektion, Futterverfügbarkeit und -vorlage. Anders als wir Menschen mögen es Kühe nämlich am liebsten, wenn es am Trog möglichst wenig Abwechslung gibt und sie mit jedem Bissen genau das Gleiche fressen – tagein, tagaus.

Nobody‘s perfect

Auch bei einem vorbildlichen Futtermanagement gibt es Faktoren, die wir nicht vollständig ausschließen können, dazu zählen Veränderungen in der Futterzusammensetzung durch Silagewechsel, Gruppenwechsel, die Transitphase oder Hitzestress. All dies kann dazu führen, dass der Pansenstoffwechsel durcheinandergebracht wird. In diesen Zeiträumen ist auch die Herstellung der B-Vitamine eingeschränkt. Da B-Vitamine an sämtlichen Verdauungs- und Energiestoffwechselprozessen beteiligt sind, kann dies zu einer gestörten Pansenfermentation, Erkrankungen und einer reduzierten Milchleistung mit schwankenden Milchinhaltsstoffen führen.

Mehr Sicherheit in die Ration

Um in jeder Situation gut gewappnet zu sein und bösen Überraschungen vorzubeugen, kann es sich lohnen eine Art „Versicherung“ in Form einer Vitamin-Zulage und einer Lebendhefe in die Ration einzubauen. Positiv gesprochen kann die Pansenflora durch diese Unterstützung effizienter arbeiten und sichert der Kuh damit eine hohe Milchleistung mit stabilen Inhaltsstoffen bei einer hohen Futtereffizienz.

Lebendige Helfer

Lebendhefe heißt so, weil die getrockneten Hefezellen durch eine feuchte und warme Umgebung wieder zum Leben erweckt werden. Das sollte aber erst im Pansen passieren und nicht schon während die Futterration auf dem Futtertisch liegt. Hefen nehmen Sauerstoff auf und „veratmen“ Zucker. Dabei entsteht Wärme. Dieser Prozess ist für eine TMR gelinde gesagt ungünstig, weil die Qualität sinkt und damit auch die Futteraufnahme.

Instanthefen, die schnell reagieren, machen in einer Futterration folglich wenig Sinn. Zumal sie unter Umständen bereits bei der Lagerung im offenen Sack an Vitalität verlieren. Besser ist eine ummantelte, gecoatete Hefe, die heil im Pansen ankommt. Da kann sie sich dann voll entfalten. Stopp – nicht ganz, denn vermehren wird sie sich im Pansen nicht. Dafür wird ja täglich eine neue Portion frisch in die Ration gegeben.

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Anne Cordes

Anne hat ein abgeschlossenen Studium zur Agr.-Ing. (FH) von der FH Kiel und 14 Jahre Praxiserfahrung auf einem Milchviehbetrieb. Sie ist seit über 18 Jahren Teil der jbs Familie. Momentan betreut sie den Bereich Qualitätsmanagement und ist spezialisiert auf Milchvieh und Silagemangement.

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