Anwelken – ja klar. Aber …

Witterungsbedingungen und Grasmenge sind entscheidend

Zweite, dritte und vierte Schnitte fallen in der Regel in die warmen Sommermonate. Im Bereich der LUFA Nord-West lag die durchschnittliche Trockenmasse (TM) dieser Folgeschnitte 2021 bei etwas mehr als 40 %. Aber ein Mittelwert ist nur bedingt aussagekräftig, denn über 30 % der Silagen waren viel trockener. Der Spitzenwert? Sensationelle 65,4 % TM. Das ist nicht nur problematisch für die Verdichtung, sondern beeinflusst auch die Mikroorganismen im Silierprozess.

Gewinner und Verlierer

Anwelken minimiert den Rohaschegehalt und damit das Risiko einer Fehlgärung durch unerwünschte Buttersäure- und Essigsäurebildner (Clostridien, Acetobacter). Das sind die „Verlierer“ und das ist gut so. Die „Gewinner“ eines starken Anwelkens sind dagegen leider Hefen und Pilze. Das ist auf jeden Fall negativ. Hefen führen zu Nacherwärmung und Pilze produzieren Giftstoffe. Die für die Silierung erforderlichen Milchsäurebakterien profitieren glücklicherweise ebenfalls von der höheren Zuckerkonzentration im angewelkten Gras. Aber nur 10 % der natürlichen Milchsäurebakterien wachsen noch bei mehr als 45 % TM!

Die goldene Mitte

Es ist, wie so oft, ein Balanceakt. Zu wenig angewelkt: Sickersaftverluste und Gefahr einer Fehlgärung. Zu stark angewelkt: Mikroben haben zu viel Zucker veratmet, Milchsäurebakterien sind schlapp, Hefen und Pilze freuen sich.

Wenig Gras – Effekt verdoppelt

Bei Sonnenschein, 25 °C und Wind nimmt die Trockenmasse jede Stunde um 2 % zu, wenn die Menge Gras hoch ist (A. Fübbeker). Ist der Aufwuchs gering, verdoppelt (!) sich der Effekt auf 4 %. Stellen wir uns Temperaturen von 35 °C vor und starken Wind, dann ist bei mäßigem Aufwuchs eine TM zwischen 35 und 40 % nach einer Feldliegezeit von schätzungsweise 3 – 4 Stunden bereits erreicht. Auf die Berechnung der nötigen Fahrgeschwindigkeit verzichten wir an dieser Stelle. Ferrari baut zwar Traktoren, aber nur für Wein- und Obstbau.

Im Notfall direkt ins Schwad

Auf das Wenden zu verzichten ist nicht ratsam. Das Gras trocknet ungleichmäßig ab und besonders bei der Verwendung von Ladewagen ohne Kurzschnitt oder in Ballen entstehen Nester, die kaum silieren. Nur beim Einsatz eines Feldhäckslers kann notfalls direkt nach dem Mähen geschwadet werden. Durch das Überladen in die Häckselkette kommt es zu einer größeren Vermischung des Silierguts. Bei kurzen Häcksellängen wird außerdem viel zuckerreicher Pflanzensaft freigesetzt, ein perfektes Buffet für hungrige Milchsäurebakterien.

Auf Profis setzen

Natürliche Milchsäurebakterien vermehren sich am besten zwischen 25 und 40 °C. Geprüfte Silierbakterien sind ähnlich, aber als Profis in Sachen Milch- und Essigsäurebildung arbeiten sie wesentlich effizienter und erzielen auch unter schwierigen Bedingungen bessere Ergebnisse. In einem Versuch mit und ohne Silierzusatz wurde das deutlich (siehe Grafik): In der unbehandelten Silage mit etwa 44 % TM sank der pH-Wert nach 3 Tagen noch nicht wirklich, nach 3 Monaten erreichte er magere 5,8. Durch die Behandlung mit Silierbakterien ergab sich nach 3 Tagen bereits ein Wert von unter 5, nach 3 Monaten lag die behandelte Silage knapp über 4.

Das ist TOP! Bei 59 % TM sank der pH-Wert in der unbehandelten Silage gar nicht! Die behandelte Silage brachte es nach 3 Monaten auf 4,4 – das ist gut, aber zu spät. Während bei 44 % TM die Nährstoffverluste vom Siliermittel um ca. 55 % gesenkt wurden gegenüber unbehandelt, waren es in der 59 %igen Silage nur etwa 35 %. Immer noch ein positiver Effekt.

Gas geben!

Passen Sie den Ernteablauf den Bedingungen auf dem Feld an. Zu trockene Silagen lassen sich nicht verdichten, erwärmen sich und verschimmeln. Die Futteraufnahme sinkt. Bei hohen Temperaturen können Siliermittel je nach Dosierer auch mit höherer Wassermenge je t ausgebracht werden, damit die Milchsäurebakterien besser arbeiten. Hohe Temperaturen erfordern eben Flüssigkeit, nicht nur bei Mensch und Tier.

Hier zeigen wir euch, worauf man bei Wickelballen achten sollte!

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Anne Cordes

Anne hat ein abgeschlossenen Studium zur Agr.-Ing. (FH) von der FH Kiel und 14 Jahre Praxiserfahrung auf einem Milchviehbetrieb. Sie ist seit über 18 Jahren Teil der jbs Familie. Momentan betreut sie den Bereich Qualitätsmanagement und ist spezialisiert auf Milchvieh und Silagemangement.

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